BBl 2025 1711
CH - Bundesblatt

Handlungsgrundsätze der Geschäftsprüfungsdelegation

Handlungsgrundsätze der Geschäftsprüfungsdelegation
Von der Geschäftsprüfungsdelegation am 14. Februar 2025 verabschiedet und von den Geschäftsprüfungskommissionen am 19. Mai 2025 zur Kenntnis genommen
Die Geschäftsprüfungsdelegation
Die GPDel ist ein ständiger Ausschuss der beiden GPK der eidgenössischen Räte, die aus jeweils drei Mitgliedern des National- und des Ständerats besteht. In der Delegation sind alle Regierungsparteien wie auch eine Nichtregierungspartei vertreten.
Die Delegation konstituiert sich selbst (Art. 53 Abs. 1 Parlamentsgesetz, ParlG) und wählt ihr Präsidium für jeweils zwei Jahre.
Die GPDel übt die Oberaufsicht über alle Tätigkeiten im Bereich des Staatsschutzes und der Nachrichtendienste sowie über das staatliche Handeln im Geheimen aus. Sie ist dabei autonom. Zudem können ihr beide GPK im Sinne von Artikel 53 Absatz 3 ParlG besondere Aufträge erteilen.
Die GPDel orientiert sich bei ihrer Arbeit an folgenden Grundsätzen:

1 Auftrag

Die GPDel übt im Auftrag der eidgenössischen Räte die Oberaufsicht über die Tätigkeiten des Bundesrates, der Bundesverwaltung sowie weiterer Träger von Bundesaufgaben im Bereich des Staatsschutzes, der Nachrichtendienste und des staatlichen Handelns im Geheimen aus (Art. 169 BV und Art. 53 Abs. 2 ParlG).
Unter Staatsschutz versteht die GPDel die präventive und repressive Tätigkeit der Behörden gegenüber Handlungen, welche gegen die Gebietshoheit, die innere und äussere Sicherheit und die Handlungsfreiheit oder die Volkswirtschaft der Schweiz gerichtet sind oder allgemein eine ernsthafte Gefährdung des Bestandes, der Stabilität und Integrität der verfassungsrechtlichen und demokratischen Grundordnung der Schweiz darstellen. Darunter fallen insbesondere die Bekämpfung des Terrorismus, des verbotenen Nachrichtendienstes, der ABC-Proliferation, sowie des politisch motivierten gewalttätigen Extremismus.
Unter Nachrichtendienste versteht die GPDel alle Dienststellen der Bundesverwaltung und weiterer Träger von Bundesaufgaben, die Informationen zur sicherheitspolitischen Situation im In- und Ausland beschaffen und auswerten.
Unter staatlichem Handeln im Geheimen versteht die GPDel die Tätigkeiten von Regierung und Verwaltung, die einer besonderen Geheimhaltungspflicht unterstehen und deren Kenntnisnahme durch Unberechtigte den Landesinteressen grossen Schaden zufügen kann (gemäss Art. 53 Abs. 2 ParlG).
Der Kompetenzbereich der GPDel erfasst sämtliche Handlungen zur Wahrung der inneren und äusseren Sicherheit der Schweiz.
Wie die GPK legt auch die GPDel den Schwerpunkt ihrer Prüftätigkeit auf die Kriterien der Rechtmässigkeit, Zweckmässigkeit und Wirksamkeit des Regierungs- und Verwaltungshandelns (Art. 52 Abs. 2 ParlG) sowie auf die Leistungsfähigkeit und Angemessenheit des Regierungs- und Verwaltungshandelns.
Die Oberaufsichtstätigkeit der GPDel ersetzt dabei nicht die Aufsichtspflicht des Bundesrates in diesen Bereichen. Die GPDel fokussiert bei ihrer Tätigkeit insbesondere auf die Frage, ob der Bundesrat, das zuständige Departement und die spezialisierten Aufsichtsorgane ihre gesetzlich vorgeschriebene Führungs- und Aufsichtsfunktion korrekt wahrnehmen.
Die GPK können der GPDel besondere Aufträge erteilen; insbesondere wenn die Informationsrechte der GPK zur Wahrung der Oberaufsicht nicht ausreichen (Art. 53 Abs. 3 ParlG).

2 Ziele

Die Geschäftsprüfungsdelegation
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fördert die demokratische Legitimation und Verantwortlichkeit von Bundesrat, Bundesverwaltung und anderer Träger von Bundesaufgaben im Bereich des Staatsschutzes, der Nachrichtendienste und des staatlichen Handelns im Geheimen;
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fördert die Transparenz und das Vertrauen in das Handeln des Bundesrates, der zuständigen Dienststellen und Organe ;
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stellt die Oberaufsicht über die Geschäftsführung dieser Institutionen im direkten und ständigen Dialog mit denselben sicher, damit Probleme von den zuständigen Behörden im Rahmen ihrer Fähigkeiten gelöst werden können;
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überprüft die Wahrung der Grundrechte bei der Verwendung von Daten durch die Behörden und insbesondere die nachrichtendienstlichen Organe;
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legt besonderen Wert auf eine funktionierende sicherheitspolitische Führung des Bundesrates, auf adäquate Organisationsstrukturen und auf die Koordination der involvierten Behörden;
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zieht aus ihrer Kontrolltätigkeit Lehren für einen kohärenten Gesetzesvollzug wie auch für die zukünftige Gesetzgebung und informiert die zuständigen Organe, insbesondere den Bundesrat und die Sachbereichskommissionen, darüber.

3 Koordination

Die Geschäftsprüfungsdelegation koordiniert ihre Tätigkeit mit
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den jeweiligen Subkommissionen der GPK;
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der Finanzdelegation (FinDel). Sie informiert die FinDel insbesondere, wenn sie im Rahmen ihrer Tätigkeiten Hinweise auf finanzpolitisch problematisches Verhalten erhält und kann diese bitten, die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) mit einer Prüfung zu beauftragen. Die GPDel und die FinDel können gemeinsam tagen, sofern dies beide Delegationen beschliessen;
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den Sachbereichskommissionen, insbesondere mit den Sicherheitspolitischen Kommissionen und den Kommissionen für Rechtsfragen beider Räte. Sie sorgt dafür, dass ihre Erkenntnisse bei der Gesetzgebung berücksichtigt werden;
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der AB-ND (Art. 78 Abs. 2 NDG). Die GPDel nimmt jeweils Stellung zum Prüfplan der AB-ND;
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den internen Aufsichtsstellen der Departemente und bezieht deren Berichte in ihre Überlegungen ein.
Die GPDel kann anderen Kontrollstellen wie insbesondere der AB-ND und der AB-BA Hinweise geben, wenn sie Abklärungsbedarf sieht, die in deren Fachbereich fallen.

4 Vorgehensgrundsätze

Die Geschäftsprüfungsdelegation

4.1 Allgemein

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gibt sich ein Jahresprogramm, in dem auch Schwerpunkte für vertiefte Untersuchungen festgelegt werden. Mittelfristig strebt sie bei ihrer Aufsichtstätigkeit ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den beaufsichtigten Diensten an. Die Planung wird angepasst, falls unvorhergesehene Ereignisse ein Handeln der GPDel bedingen;
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überprüft die Geschäftsführung des Bundesrates, seines Sicherheitsausschusses und der involvierten Departemente sowohl begleitend als auch retrospektiv .
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misst der Früherkennung von Problemen eine grosse Bedeutung zu, um frühzeitig Mängel, die ein politisches Einschreiten bedingen, zu erkennen. Im Bereich der Bundesanwaltschaft respektiert sie dabei die Unabhängigkeit der Strafuntersuchung;
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trägt zur Behebung festgestellter Mängel und Missstände oder zur Nutzung von Optimierungsspielräumen in der Geschäftsführung bei, wobei sie dem Grundrechtsschutz eine besondere Bedeutung beimisst;
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nimmt Aufsichtseingaben entgegen und prüft diese, sofern sie in ihren Zuständigkeitsbereich fallen. Einzelfälle sind dann von Relevanz, wenn sie grundsätzliche Fragen betreffen;
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nimmt die Prüfberichte der AB-ND zur Kenntnis und prüft diese im Hinblick auf Handlungsbedarf für die Oberaufsicht;
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arbeitet parteiunabhängig und folgt bei ihren Beratungen dem Konsensprinzip.

4.2 Geheimhaltung und Quellenschutz

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verpflichtet sich der Geheimhaltung (Art. 8 ParlG). Sie misst dementsprechend der klassifizierten Handhabung der erhaltenen Informationen höchste Priorität zu und trifft besondere Vorkehrungen zur Sicherstellung der Geheimhaltung;
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nimmt vorgängig zur Berichterstattung in den GPK oder zu einer Veröffentlichung ihrer Feststellungen eine Interessensabwägung zwischen berechtigten Geheimhaltungsinteressen des Bundesrates, der Bundesverwaltung oder weiterer Träger von Bundesaufgaben und dem öffentlichen Interesse an Transparenz vor. Bevor eine Veröffentlichung erfolgt, konsultiert die GPDel die betroffene Behörde;
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schützt die klassifizierten Quellen der Dienste wie auch ihre eigenen Informationsquellen. Genauere Hinweise auf eine Quelle werden den GPK, den eidgenössischen Räten oder in einer Veröffentlichung nur gegeben, falls dies für die Beurteilung der Geschäftsführung durch die parlamentarische Oberaufsicht unumgänglich ist und keine überwiegenden Interessen entgegenstehen oder falls die Quelle der Öffentlichkeit schon bekannt ist.

4.3 Berichterstattung, und Information

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erstattet den GPK regelmässig Bericht über die Geschäftsführung von Bundesrat, Bundesverwaltung und anderer Träger von Bundesaufgaben im Bereich des Staatsschutzes, der Nachrichtdienste und dem Verwaltungshandeln im Geheimen;
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informiert die eidgenössischen Räte und die Öffentlichkeit mindestens einmal jährlich über ihre Arbeiten;
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stellt Antrag an die beiden GPK (Art. 53 Abs. 4 ParlG), falls sie in den Räten Anträge oder Vorstösse einreichen will;
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beantragt den GPK in der Regel die Veröffentlichung der Ergebnisse einer Inspektion, soweit keine schützenswerten Interessen entgegenstehen. Die betroffene Behörde erhält vorgängig die Möglichkeit, sich zu allfälligen inhaltlichen Fehlern und Geheimhaltungsinteressen zu äussern (Art. 157 ParlG);
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verpflichtet sich zu einer aktiven Informationspolitik, die den aktuellen Gegebenheiten Rechnung trägt sowie Gerüchten und Spekulationen vorbeugt. Ohne anderweitigen Beschluss ist ausschliesslich der Präsident oder die Präsidentin für die Information zuständig;
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informiert über ihre Tätigkeit in einem Jahresbericht (gemäss Art. 55 ParlG).
Auskunft gegenüber der Öffentlichkeit wird ausschliesslich durch den Präsidenten/die Präsidentin, in Absprache durch die Vizepräsidentin/den Vizepräsidenten der GPDel erteilt (vgl. Richtlinien zur Information und Kommunikation der GPK).

5 Mittel

Die Geschäftsprüfungsdelegation
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weist die betroffenen Departemente und andere spezialisierte Aufsichtsorgane (AB-ND und AB-BA) an, sie umgehend über besondere Ereignisse zu informieren, welche die innere oder äussere Sicherheit beeinträchtigen können;
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wird vom Bundesrat konsultiert, wenn dieser gestützt auf Artikel 185 Absatz 3 der Bundesverfassung (Notrecht) oder gestützt auf eine gesetzliche Ermächtigung zur Bewältigung einer Krise nach Anhang 2 ParlG Entwürfe für Verordnungen und Verordnungsänderungen erlässt, und diese als «vertraulich» oder «geheim» klassifizierte Informationen enthalten (Art. 151 Abs. 2bis ParlG).
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kann mit allen Behörden, Amtsstellen und übrigen Trägern von Bundesaufgaben direkt verkehren und von ihnen zweckdienliche Auskünfte und Unterlagen erhalten. Sie kann auch von Personen und Amtsstellen ausserhalb der Bundesverwaltung Auskünfte einholen und Unterlagen erhalten, sofern dies für die Wahrnehmung ihrer Oberaufsicht notwendig ist. Diese Informationsrechte gelten absolut, denn es dürfen der GPDel keine Informationen vorenthalten werden (Art. 169 Abs. 2 BV; Art. 154 ParlG). Sie hat insbesondere Zugang zu Unterlagen, die der unmittelbaren Entscheidfindung des Bundesrates dienen oder die im Interesse des Staatsschutzes oder Nachrichtendienste geheim gehalten werden;
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kann Personen sowohl als Auskunftspersonen wie auch als Zeugen oder Zeugin anhören (Art. 155 ParlG);
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kann von den Dienststellen Berichte einfordern;
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führt zur Zielerreichung laufend Abklärungen, Inspektionen, Dienststellenbesuche sowie Nachkontrollen und in besonderen Situationen auch unangemeldete Besuche durch;
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fasst in der Regel ihre Inspektionsergebnisse in die Form eines Berichts und richtet Empfehlungen direkt an die verantwortlichen Behörden (Art. 158 ParlG). Die GPDel prüft die Umsetzung ihrer Empfehlungen und ihrer politischen Forderungen;
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lässt sich halbjährlich über die nachrichtendienstlichen Prioritäten des Sicherheitsausschusses des Bundesrates informieren;
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nimmt alle Berichte, welche ihr gemäss den spezialgesetzlichen Grundlagen vorgelegt werden müssen, regelmässig zur Kenntnis. Darüber hinaus definiert sie regelmässig die Berichte/Bereiche, zu welchen sie sich jährlich informieren lässt. Dabei liegt der thematische Schwerpunkt bei der Lageeinschätzung des Sicherheitsausschusses des Bundesrates, bei den betroffenen Departementen, sowie bei den Nachrichtendiensten;
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entscheidet nach Anhörung des Bundesrates, ob Disziplinar- oder Administrativuntersuchungen des Bundes, die einen Sachverhalt oder Personen betreffen, welche Gegenstand einer Untersuchung durch die GPDel sind, angehoben oder weitergeführt werden dürfen (Art. 154 a ParlG);
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wird von einem Sekretariat sowohl fachlich wie auch organisatorisch unterstützt;
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kann externe Experten beiziehen.
Die Handlungsgrundsätze vom 1. März 2006 werden aufgehoben.
Datum des Inkrafttretens: 1. Juni 2025
Bundesrecht
Handlungsgrundsätze der Geschäftsprüfungsdelegation
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