Beschluss über den Vollzug von Strafen in Form der Halbgefangenschaft
                            Beschluss  vom 25. September 2008  über den Vollzug von Strafen in Form der  Halbgefangenschaft  Die       lateinische       Konferenz       der       in       Straf  -  und  Massnahmenvollzugsfragen zuständigen Behörden  gestützt auf die Artikel 40, 41, 74, 75, 77b, 79, 372 Abs. 3, 379 und 380 des  Schweizerischen Strafgesetzbuches vom 21. Dezember 1937 (StGB);  gestützt auf die Verordnung vom 19. September 2006 zum Schweizerischen  Strafgesetzbuch und zum Militärstrafgesetz (V  -StGB  -MStG);  gestützt auf die Artikel 1 und 14 des Konkordats vom 10. April 2006 über  den  Vollzug  der  Freiheitsstrafen  und  Massnahmen  an  Erwachsenen  und  jungen Erwachsenen in den Kantonen der lateinischen Schweiz (Konkordat  über den strafrechtlichen Frei  heitsentzug an Erwachsenen);  in Erwägung:  Das  neue  Sanktionenrecht  trat  am  1.  Januar  2007  in  Kraft.  Eine  seiner  Zielsetzungen  ist  die  Verminderung  der  Zahl  von  kurzen  Freiheitsstrafen,  deren  Dauer  in  der  Regel,  von  Ausnahmen  abgesehen,  mindestens  6  Monate  betragen  sollte.  In  den  Fällen,  in  denen  ausnahmsweise  eine  Freiheitsstrafe  von  weniger  als  6  Monaten  ausgesprochen  wird,  ist  der  bedingte  Vollzug  ausgeschlossen  (Art.  41  und  42  StGB).  Das  Regime  der  Halbgefangenschaft wurde 1974 eingeführt und unter Vorbe  halt bestimmter  Ausnahmen laufend erweitert.  Die  kurzen  Freiheitsstrafen  werden  im  Normalvollzug  (Art.  77  StGB),  im  tageweisen Vollzug (höchstens 4 Wochen; Art. 79 StGB) oder in Form von  Halbgefangenschaft  (Art.  77b  und  Art.  79  Abs.  3  StGB)  vollzogen,  wenn  nicht   zu   erwarten   ist,   dass   die   gefangene   Person   flieht   oder   weitere  Straftaten  begeht  (Art.  77b  StGB).  In  diesem  Vollzugsregime  setzt  die  gefangene  Person  ihre  Arbeit  oder  Ausbildung  ausserhalb  der  Anstalt  fort  und   verbringt   die   Ruhe  -   und   Freizeit   in   der     Anstalt.   Die   für   diese  Vollzugsdauer  notwendige  Betreuung  dieser  Person  ist  zu  gewährleisten  (Art.  77b  StGB).  Der  Vollzug  kann  in  einer  offenen  Strafanstalt  oder  in  einer  offenen  Abteilung  einer  geschlossenen  Strafanstalt  oder  auch,  wenn
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            nötig,  in  einer  b  esonderen  Abteilung  eines  Untersuchungsgefängnisses  erfolgen.  Die  Konferenz  hat  beschlossen,  dass  die  Halbgefangenschaft  in  Anstalten  oder  Anstaltsabteilungen  vollzogen  werden  muss,  wobei  den  Grundsätzen  der Ortsnähe Rechnung getragen wird. Es können auch andere Gründe, die  nicht   mit   Sicherheits  -   oder   Disziplinarfragen   zusammenhängen,   die  Überführung  in  eine  andere  Anstalt  rechtfertigen  (z.B.  Umsetzung  des  Vollzugsplans, Bestand der Anstaltsinsassen).  Das  übergeordnete  Organ  des  Konkordats  hat  im  Anschluss  daran  per  1.  Januar    2007    die    Ausführungsbestimmungen    zum    Schweizerischen  Strafgesetzbuch erlassen; unter anderem hat sie die Empfehlung Nr. 4 vom
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            27.  Oktober  2006  herausgegeben,  die  es  nun  im  Lichte  der  gemachten  Erfahrungen und der Rechtsprechung des Bund  esgerichts anzupassen gilt.  Auf  Antrag  der  Konkordatskommission  vom  26.  August  2008  und  der  Westschweizer Kommission für Bewährungshilfe vom 17.  September 2008,  beschliesst:  I.      Grundsätze
                        
                        
                    
                    
                    
                Art. 1
                            Die Voraussetzungen für den Vollzug in Form der Halbgefangens  chaft sind  in den Artikeln 77b und 79 StGB geregelt.
                        
                        
                    
                    
                    
                Art. 2
                            1    Während  des  Vollzugs  der  Halbgefangenschaft  verrichtet  die  gefangene  Person  weiterhin  ihre  Tätigkeit  oder  Arbeit  ausserhalb  der  Anstalt  zu  den  Bedingungen,  die  von  der  Anstalt  nach  Artikel  11  Ab  s.  5  des  Reglements  über die Gewährung von Ausgangsbewilligungen für erwachsene und junge  erwachsene Verurteilte festgelegt werden.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            2   Sie verbringt die Ruhe  - und Freizeit in der Anstalt.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            3   Während ihrer arbeitsfreien Zeit und ihrer Ferien bleibt sie in der Regel in  der Anstalt. Artikel 9 bleibt vorbehalten.
                        
                        
                    
                    
                    
                Art. 3
                            Die  Anstalt  muss  in  der  Lage  sein,  eine  zusätzliche,  namentlich  soziale  Betreuung zu gewährleisten.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            II.    Vollzugsbedingungen  Art.   4
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            1    Nach  ihrer  Vorladung  durch  die  Vollzugsbehörde  muss  die  verurteilte  Person  innert  30  Tagen  die  Belege  vorlegen,  die  sie  zum  Vollzug  der  Freiheitsstrafe  in  Form  der  Halbgefangenschaft  berechtigen  (Beweis  für  eine  unselbstständig  -  oder  selbstständigerwe  rbende  berufliche  Tätigkeit  oder  Ausbildungsbestätigung  mit  Bezeichnung  des  Arbeitsorts  oder  des  Ausbildungsorts  oder  Bescheinigung  einer  strukturierten  oder  betreuten  Tätigkeit, z.B. IV).
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            2    Die  mit  dem  Vollzug  beauftragte  Behörde  überprüft  die  Tatsachen;  sie  kann in der Folge diese Zuständigkeit der Anstaltsleitung übertragen.
                        
                        
                    
                    
                    
                Art. 5
                            Die      Vollzugsbehörde      bewilligt      den      Vollzug      in      Form      der  Halbgefangenschaft  und  setzt  deren  Bedingungen  fest.  Di  ese  Bewilligung  enthält mindestens folgende Angaben:  a)   Datum und Ort des Vollzugs;  b)   die  Zeiten  für  das  Verlassen  der  Anstalt  und  für  die  Rückkehr,  die  Arbeitszeiten unter Berücksichtigung der Tätigkeit, der Arbeit oder der  Beschäftigung und der Dienstor  dnung der Anstalt.
                        
                        
                    
                    
                    
                Art. 6
                            Die  Behörde  berücksichtigt  im  Rahmen  des  Möglichen  insbesondere  den  Wohnort,  die  Art  der  Arbeit,  der  Beschäftigung  oder  der  Tätigkeit  der  verurteilten Person.
                        
                        
                    
                    
                    
                Art. 7
                            Während  des  Vollzugs  der  Halbgefangenschaft  überprüft  die  Behörd  e,  ob  die  gefangene  Person  wirklich  ihrer  Tätigkeit  nachgeht;  sie  kann  diese  Zuständigkeit der Anstaltsleitung oder einer anderen Behörde übertragen.  III.   Allgemeine Bestimmungen
                        
                        
                    
                    
                    
                Art. 8
                            1    In  der  Regel  nehmen  die  gefangenen  Personen  an  den  Arbeitstagen  ihre  Mahlzeiten, mit Ausnahme des Frühstücks, ausserhalb der Anstalt ein.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            2   Die Kosten für diese Verpflegung und die Kosten für den Transport ab der  Anstalt gehen zu Lasten der gefangenen Personen.
                        
                        
                    
                    
                    
                Art. 9
                            Der   gefangenen   Person   können   gemäss   dem   Reglement   über  die  Gewährung    von    Ausgangsbewilligungen    an    erwachsene    und    junge  erwachsene  Verurteilte  Ausgangsbewilligungen  gewährt  werden;  dieses  Reglement gilt sinngemäss.  IV.   Beteiligung an den Vollzugskosten
                        
                        
                    
                    
                    
                Art. 10
                            1    Die  im  Genuss  dieses  Vollzugsregimes  stehende  Per  son,  die  einen  Lohn  oder eine Entschädigung erhält, muss sich an den Kosten des Strafvollzugs  beteiligen.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            2    Der  Betrag  dieser  Beteiligung  wurde  von  der  Konferenz  per  1.  Januar
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            2007  auf  21  Franken  pro  Tag  festgesetzt.  Die  gefangene  Person  muss  Vorschüsse leisten, deren Höhe von der Anstaltsdirektion festgesetzt wird.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            3   Die gefangene Person, die eine gesetzliche Unterhaltspflicht hat oder eine  strukturierte und betreute Tätigkeit ausübt, bezahlt einen geringeren Betrag,  jedoch mindestens 10 Franken pro Tag. Dies gilt auch, wenn die gefangene  Person eine anerkannte Ausbildung absolviert.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            4   In erwiesenen Härtefällen   kann die zuständige Behörde die Beteiligung an  den  Vollzugskosten  senken.  Die  gefangene  Person  muss  spätestens  am  10.  eines Monats ein begründetes Gesuch für den folgenden Monat einreichen.  V.  Vollzugsort
                        
                        
                    
                    
                    
                Art. 11
                            1    Die  Halbgefangenschaft  wird  in  einer  off  enen  Anstalt  oder  in  einer  offenen Abteilung einer geschlossenen Anstalt vollzogen.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            2    Die  Anstalt  kann  von  einem  von  der  Konferenz  ermächtigten  privaten  Betreiber geführt werden.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            3    Eine  solche  Anstalt  muss  die  notwendige  umfassende  Betreuung  der  verurteilten    Person    und    die    Einhaltung    eines    allenfalls    erstellten  Strafvollzugsplans  gewährleisten  und  ein  Reglement  haben,  das  von  der  zuständigen  Behörde  des  Kantons,  in  dem  die  Anstalt  liegt,  genehmigt  wurde.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            4   Frauen und Männer, die Strafen in Halbgefangenschaf  t verbüssen, können  in   derselben   Anstalt,   jedoch   in   getrennten   Abteilungen   untergebracht  werden; gewisse Räume können gemeinsam benützt werden.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            VI.   Änderungen im Halbgefangenschaftsregime
                        
                        
                    
                    
                    
                Art. 12
                            1    Die Halbgefangenschaft wird von der Vollzugsbehörde unterbrochen und  der weitere Strafvollzug erfolgt im ordentlichen Vollzugsregime, wenn die  gefangene Person:  a)   bei  Antritt  der  Strafe  oder  während  ihres  Vollzugs  die  festgesetzten  Bedingungen  nicht  einhält  (z.B.  Nichteinhalten  des  Zeitplans,  Konsum  von Alkohol oder Drogen);  b)   ohne   genügenden   Grund   den   Vorschuss   in   Bargeld   oder   den  Pensionspreis nicht bezahlt.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            2     Die   Anstaltsdirektion   kann   dieses   Haftregime   aus   schwerwiegenden  Gründen   oder   als   vorsorgliche   Massnahme   (z.   B.   ungerechtfertigtes  Fernbleiben  vom  Arbeitsplatz,  unzulässiges  Verhalten,  selbst  verschuldete  Vertragsauflösung,  schwerwiegender  Vertrauensbruch)  vorläufig  sistieren.  Sie  teilt  dies  unverzüglich  den  zuständigen  Behörden  mit.  Diese  nehmen  innert einer Frist von höchstens 10 Tagen Stellung.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            3      Die    gefangene    Person    kann    auf    den    Vollzug    in    Form    der  Halbgefangenschaft  verzichten.  In  diesem  Fall  ist  die  Reststrafe  in  der  Regel ab sofort im ordentlichen Haftregime zu vollziehen.
                        
                        
                    
                    
                    
                Art. 13
                            In leichte  n Fällen kann die Vollzugsbehörde oder die Anstaltsdirektion eine  Verwarnung gemäss dem Anstaltsreglement aussprechen.
                        
                        
                    
                    
                    
                Art. 14
                            Wenn  die  verurteilte  Person  unverschuldet  ihre  Arbeit  verliert,  kann  sie  innert einer Frist von höchstens 21 Tagen zu den von der   Anstaltsdirektion  festgesetzten Bedingungen eine andere Arbeit suchen.
                        
                        
                    
                    
                    
                Art. 15
                            1   Die Disziplinarsanktionen bleiben vorbehalten.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            2    Wird  gegen  die  gefangene  Person  eine  Strafuntersuchung  eingeleitet,  so  kann   die   Einweisungsbehörde   den   Vollzug   der   Halbgefangenschaft  sistieren.  In  dringenden  Fällen  kann  die  Anstaltsleitung  entscheiden;  sie  informiert unverzüglich die Einweisungsbehörde, die innert einer Frist von  höchstens 10 Tagen einen Entscheid fällt.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            VII.    Allgemeine und Schlussbestimmungen
                        
                        
                    
                    
                    
                Art. 16
                            Je  nach  besonderen  Umständen  (namentlich  aus  Gründen  der  Betreuung,  der   Sicherheit,   der   Disziplinarordnung,   der   Nähe   zum   Wohn  -   oder  Arbeitsort  oder  der  Belegung  der  Anstalt)  und  sofern  die  getroffenen  Vorkehrungen  nicht  konkordatswidrig  oder  zum  Nachteil  eines  Kantons  oder    einer    Anstalt    sind,    können    Einweisungen    in    Anstalten    von  Nichtpartnerkantonen   angeordnet   oder   genehmigt   werden.   Vorbehalten  bleibt  die  Übertragung  der  Zuständigkeit  an  die  Behörde  eines  anderen  Kantons.
                        
                        
                    
                    
                    
                Art. 17
                            1    Die  Empfehlung  Nr.  4  vom  27.  Oktober  2006  über  den  Vollzug  von  Strafen in Form der Halbgefangenschaft wird aufgehoben.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            2    Die  Konferenz  lädt  die  Regierungen  der  lateinischen  Schweiz  ein,  ihre  kantonalen Regelungen über die Halbgefangenschaft anzupassen.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            3   Dieser Beschluss tritt am 1. November 2008 in Kraft.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            4   Er wird auf der Internetseite der Konferenz veröffentlicht.